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Mozarteumorchester Salzburg | © Siponen
Stadterlebnis
Ein Meer aus himmlischen Klängen
Klassische Musik ist nichts für mich! Das war bis vor kurzem meine Pauschalaussage. Und ja, obwohl ich in der Mozartstadt lebe, war ich noch nie in einem richtigen Konzert. Bis vergangenen Sonntag. Eine musikalische Erfahrung, die ich keinesfalls bereue.
An einem gewöhnlichen Sonntag würde ich bestimmt noch schlafen. Heute aber habe ich etwas Besonderes vor. Mein Ziel: das Große Festspielhaus. Dort findet heute die dritte Sonntagsmatinee des Mozarteumorchesters Salzburg statt. Insgesamt fünf Konzerte spielt das Orchester in dieser Reihe, alle ausverkauft bis auf den letzten Platz. Auf dem Weg zum Eingang schlängle ich mich an haltenden Taxis vorbei. Damen mit überdimensionalen Diamantenketten werden von ihren Gatten begleitet. Eine Fönfrisur höher als die andere, ein Hemd faltenfreier als das andere. Und zwischen all dem Bling Bling geben sich Sneakers, Jeggings und einfache Shirts die Ehre. „Eine coole Mischung“, denke ich und wackle auf meinen High Heels an den Menschenscharen vorbei ins Foyer.
Das Mozarteumorchester als Kulturbotschafter
Nachdem ich meinen Mantel an der Garderobe abgegeben habe, steuere ich in die Fördererlounge im ersten Stock. Beim Eintritt bin ich überrascht, alle Stühle besetzt und über 100 Augen auf mich gerichtet. Ohne mit meinen Absätzen den Boden zu berühren, schleiche ich zu einer Bar im linken Seitenflügel. Ein stämmiger Herr mit schickem Anzug spricht bereits über die Lebensgeschichte des Komponisten Anton Bruckner und seine Symphonie Nr. 8 c-moll, die wir heute hören werden. In der zweiten Fassung von 1890. Und kein geringerer als der großartige Karl-Heinz Steffens wird das Ensemble dirigieren. Ich schmökere durch den Programmfolder. Meine Erwartungen an den Vormittag werden immer höher. Wusstet ihr, dass es das Mozarteumorchester bereits seit 177 Jahren gibt? Und erst kürzlich mit dem begehrten Echo-Klassik-Preis ausgezeichnet wurde? So viel geballtes musikalisches Talent, das muss mich doch vom Hocker hauen, mich absoluten Kulturbanausen.
Jede Note wird zum Diamanten
Vorfreude kommt auf, als ich den großen Saal betrete. Ich nehme neben einem Mutter-Tochter-Gespann Platz und lasse meinen Blick durch die Menge schweifen. Auf der Bühne spielen sich bereits die Streicher ein. Das Wirrwarr an Tönen wirkt irgendwie beruhigend auf mich. Und dann geht es auch schon los. Vom ersten bis zum letzten Ton sind meine Ohren wie gefesselt. Ich beobachte abwechselnd die Musiker und den Dirigenten. Beeindruckend, mit welcher Präzision, Leichtigkeit und Freude der Maestro den Taktstock schwingt. Und das Orchester folgt ihm auf den Schlag. Im hinteren Drittel sitzt das Schlagzeug. Jedes Mal, wenn der Paukist mit voller Manneskraft auf die Klangkörper haut, schwingt sein ganzer Körper im Takt mit. Klar, dass ich mir da ein Grinsen nicht verkneifen kann. Und da, neben ihm sitzt der Verantwortliche für das Becken. Genau ein einziges Mal kommt er zum Einsatz. Der große Heldenmoment ist ihm aber sicher, da er mit seinen scheppernden Klängen den Ozean aus Tönen in himmlische Höhen katapultiert.
Eintauchen in die reale Welt
Die knapp 90 Minuten vergehen wie im Flug. Gerade betrachte ich die Fingerfertigkeit der Harfenistinnen genauer, da setzt der Dirigent zum Schlusssatz an. Das feierliche Finale bildet den Abschluss eines musikalischen „Vier-Gang-Menüs“. Nach einem Tsunami an Beifall und Jubelrufen strömen die Menschen in das Foyer. Meine Sitznachbarinnen nicken mir beim Aufstehen gediegen zu. Ich nicke zurück. Trennen kann ich mich aber noch nicht von meinem kuscheligen Polstersitz. Nicht im Traum hätte ich daran gedacht, dass mich das Mozarteumorchester derart fasziniert. Nachdem ich gedanklich bereits den Termin der nächsten Sonntagsmatinee rot in meinem Kalender angestrichen habe, wanke ich sichtlich benommen ins Freie. Nach einem tiefen Atemzug frischer Winterluft bin ich bereit für den Heimweg. Das Erlebte muss ich erst einmal verarbeiten. Vielleicht bei einem Sonntags-Nickerchen?