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Sportbecken im Paracelsusbad in Salzburg | © Tourismus Salzburg / G. Breitegger
Schauplätze
Die Poesie von 550 Tonnen Stahl
Fast 30 Jahre lang wurde diskutiert, drei Jahre wurde gebaut. 2019 stand das Opening im neuen Paracelsusbad an. Seit Juli 2019 läuft der Kurhausbetrieb, im Oktober öffneten Schwimmbad und Wellnessbereich mitten in der Stadt.
Das Warten hat sich gelohnt, so viel ließ sich auch schon vor Abschluss der Bauarbeiten sagen. Das neue Paracelsus Bad & Kurhaus, so die offizielle Bezeichnung des Paracelsusbades, steht an derselben Stelle im Kurgarten neben dem Schloss Mirabell, wo die Salzburger erstmals im Mai 1868 ihr Schwimmbad samt Sauna genossen haben.
Dieses erste „Actien-Badehaus“, das auf dem Gelände der vormaligen Befestigungsanlagen entstanden war, wurde im November 1944 durch einen Bombentreffer zerstört. Knapp zehn Jahre später beschloss der Gemeinderat dann die Errichtung eines neuen Kurmittelhauses mit Hallenbad. Die Salzburger Bevölkerung finanzierte sich ihr „Volksbad“ durch eine Sonderabgabe – den sogenannten „Badeschilling“ – damals quasi selbst. Und sie liebte es. Generationen von Kindern haben im Paracelsusbad schwimmen gelernt, Profis kamen zum Training, ältere Semester wurden Stammgäste – oft in geselliger Runde – im Bad und in der Sauna. Die stringent-funktionalistische 50er-Jahre-Architektur von Josef Havranek, bereichert um Werke von prominenten Salzburger Künstlerinnen und Künstlern wie Toni Schneider-Manzell und Josef und Rosita Magnus, hat bis zuletzt nichts von ihrer Aussagekraft verloren.
Aber: Der Platz wurde eng für die vielen Gäste und Schwimmvereine; die Technik wurde zwar laufend gewartet, kam aber schlichtweg in die Jahre. Ab den 1990ern wälzte man in der Stadt Pläne für einen Neubau mit mehr Platz. In Leopoldskron? In Liefering? Oder doch ganz woanders? Zur Freude Vieler fiel schließlich die Entscheidung, das Paracelsusbad am angestammten Platz im Herzen der Stadt neu zu bauen. Am 30. November 2016 war Badeschluss im alten Bad. Viele Vintage-Stücke aus den Büros und dem Bistro, außerdem nostalgische Erinnerungen wie Schilder und Rettungsringe aus dem Bad, der Sauna und den Garderoben fanden auf dem großen Flohmarkt, wenige Tage vor dem Start der Abbrucharbeiten, begeisterte neue Besitzer.
Inzwischen sind nach den Plänen der Architekten Berger+Parkkinen etwa 550 Tonnen Stahl, fast 10.000 Kubikmeter Beton und rund 13.000 Schrauben verbaut worden. Spektakulär: Die rundum verglaste Badeebene befindet sich im dritten Obergeschoss und eröffnet einen phänomenalen Blick in die Kronen der alten Bäume im Kurgarten und über die Stadt. Die stützenfreie Deckenkonstruktion für die Schwimmhalle – eine perfekt ausgetüftelte Stahlkonstruktion mit einer Spannweite von 35 Metern – wurde letzten Sommer in einer spektakulären Aktion in zwölf Metern Höhe aufgebaut. Darüber liegt dann der oberste, scheinbar schwebende Teil des Bauwerkes, der die Gastronomie und eine Saunalandschaft beherbergt und mit dem Außenbereich einen weiteren Clou liefert: ein Salzwasser-Freiluftbecken mit Blick auf die Altstadt. Der Kurhaus-Bereich für medizinische und heiltherapeutische Anwendungen gibt sich hingegen eher introvertiert und bildet einen ungefähr elf Meter hohen Sockel unter dem Schwimmbad.
Überaus spannend ist übrigens auch, was sich im „Untergrund“ des neuen Paracelsusbades gefunden hat. Während das alte Bad abgebrochen wurde, haben Archäologen und Experten des Bundesdenkmalamtes einen Teil der barocken Stadtbefestigung freigelegt. Erzbischof Paris Lodron hatte im Jahr 1621 einen halbrunden Kranz aus Bastionen mit einem vorgelagerten Graben im Bereich des heutigen Kurgartens anlegen lassen, um die rechtsseitige Stadt – vor allem natürlich das Schloss Mirabell – zu schützen. Knapp zweieinhalb Meter dick waren diese Wehrmauern, zusätzliche Pfeiler auf der Innenseite und eine massiv ausgeführte Spitze an der Bastion sorgten für die Stabilität der Befestigungsanlage. Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Stadtväter dazu entschlossen, die Wehrmauern abzutragen. Die Blöcke aus Konglomeratgestein wurden – wie damals üblich – wiederverwertet und für den Bau des neuen städtischen Kanals und für die Salzachregulierung verwendet. Der freigelegte Abschnitt der alten Wehrmauer bleibt nun sichtbar, und zwar in jenem Bereich, wo der Radweg durch den Kurgarten führt: In der darunter liegenden Tiefgarage wird von den Archäologen nämlich ein „Fenster in die Vergangenheit“ eingerichtet, das einen direkten Blick auf die barocken Bastionsmauern eröffnet.
Unser Tipp für Nostalgiker und alle, die es noch werden wollen: Georg Oberweger, Wiener Fotograf mit Salzburger Wurzeln, hat das alte Paracelsusbad in starken Bildern verewigt. Seine Bilder erzählen stille Geschichten, setzen das Gewohnte und oft Gesehene in den Mittelpunkt und bekommen dadurch eine unerwartete und ganz spezielle Ästhetik. Der Band ist 2018 in der Edition Tandem erschienen.