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Stefan Zweig Büste am Kapuzinerberg in Salzburg | © Tourismus Salzburg Gmbh / K. Brugger
Kunst & Kultur
Literarisch bewandert durch die Stadt
Salzburg, berühmt als Geburtsstadt des einzigartigen Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart, ist weniger bekannt für seine literarischen Größen. Das wollen wir ändern und das Who‘s who der Literaturszene vor den Vorhang holen.
Kommen Sie mit und lassen Sie sich überraschen. Wir treffen uns im Café Bazar auf eine Melange, bitter und süß ist diese Kaffeemischung – in jedem Fall anregend. Und so wird sich auch unser bevorstehender Spaziergang gestalten. Vielleicht bestellen Sie sich doch noch eines dieser verführerischen Törtchen oder ein deftiges Paar Frankfurter und lassen während des Wartens die Atmosphäre auf sich wirken, die so viele vor uns zum Schreiben inspirierte. Das berühmte zweite Wohnzimmer für Leute, die zum Alleinsein Gesellschaft brauchen, suchten hier Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal, Marlene Dietrich, Stefan Zweig, Thomas Mann, Romy Schneider, Oskar Werner, Arthur Miller, Thomas Bernhard, um nur einige zu nennen. Letzterer gestand gar: Wie andere in den Park oder in den Wald, lief ich immer ins Kaffeehaus, um mich abzulenken und zu beruhigen, mein ganzes Leben.
Die Harmonie der verschiedenen Farben und Farbtöne vollendet, was eigentlich keiner Vollendung bedarf.
Gestärkt verlassen wir nun unseren wohlig warmen und duftenden Rückzugsort und werfen erst einmal einen Blick über die Salzach: Die Dächer leuchten grün, grau und rot. Darüber ragen die Türme des Doms, das dunkelgraue und weinrote Dach der Franziskanerkirche, die altrosa Türme der Kollegienkirche mit ihren Heiligenfiguren, der graugrüne Turm des „Glockenspiels“ und andere rote und grüne Kuppeln und Türme. Man sieht eine Farbensymphonie!, ruft uns noch heute Erich Kästner entgegen.
Traum und Umnachtung
Angekommen in der Linzergasse lesen wir an der Engel-Apotheke Trakls Gedicht Im Dunkel. Hier absolvierte er seine Lehrzeit, bevor er sich freiwillig für den Ersten Weltkrieg meldete.
Weiter oben befindet sich der Sebastiansfriedhof, der für Thomas Bernhard der unheimlichste und dadurch faszinierendste [Ort] gewesen ist, auf dem er sich oft stundenlang aufgehalten hat. Wenn wir unseren Blick über den Campo Santo schweifen lassen, können wir diese Grundstimmung nachvollziehen. Hier liegen der sagenumwobene Arzt Paracelsus, Mozarts Frau Constanze und sein Vater begraben.
Die Welt von Gestern
Zurück Richtung Salzach folgen wir dem alten Passionsweg hinauf zum Kapuzinerkloster. Auf halber Höhe erblicken wir das Paschinger Schlössl, in dem Stefan Zweig von 1919 bis 1934 wohnte. Heute erinnern der Straßenname und die Büste vor dem Kloster an ihn. Vertrieben durch die Nationalsozialisten schrieb er wehmütig: Ich hätte zwar vom Waggonfenster aus mein Haus am Hügel sehen können mit all den Erinnerungen abgelebter Jahre. Aber ich blickte nicht hin. Wozu auch?
Bevor wir die steile Imbergstiege hinabsteigen, genießen wir mit den Worten des sonst so kritischen Thomas Bernhard den Blick über die Altstadt: Ich habe sehr oft das besondere Wesen und die absolute Eigenart dieser meiner Mutter- und Vaterlandschaft aus (berühmter) Natur und (berühmter) Architektur erkennen und lieben dürfen.
Unten angekommen überqueren wir die Staatsbrücke und gelangen zum Alten Markt. Das Tomaselli dürfte fast so alt sein wie das Kaffeetrinken in Europa, meinte Erich Kästner, der hier ebenso gern wie Stefan Zweig verkehrte.
Unser Weg führt uns nun zum Residenzplatz, wo unrühmlicherweise die Nationalsozialisten ihre Bücherverbrennung begingen.
Am Dom kommt uns der verliebte Mönch von Salzburg in den Sinn, der neben dem ältesten, heute noch gesungenen deutschsprachigen Weihnachtslied Joseph, lieber Joseph mein! zahlreiche ausgesprochen sinnliche Gedichte verfasste. Sein Kollege Joseph Mohr, der Verfasser des weltberühmten Liedes Stille Nacht! Heilige Nacht! wurde in dieser Kathedrale getauft.
Oben auf der Kammstraße, bei den Laternen
Mit Blick zur Festung Hohensalzburg gehen wir hinüber zur Festungsgasse und folgen ihr bis zu dem nach Oskar Kokoschka benannten Weg, der auf Nummer 33 wohnte. Durch eine Senke und an der Frey-Schlössl vorbei gelangen wir zum Konstantinturm mit der Adresse Mönchsberg 17/17a. Hier wohnte in den vierziger Jahren der Komponist Gottfried von Einem, der 1949 Bertolt Brecht als seinen Gast beherbergte. Brecht sollte ein Gegenstück zum Hofmannsthalschen Jedermann verfassen und schrieb hier einige Szenen zum Salzburger Totentanz. Sowohl von Einem als auch Brecht wurden boykottiert und mussten die Stadt verlassen.
Dreißig Jahre später sollte Peter Handke mit seiner Tochter das Haus beziehen und fast 10 Jahre hier bleiben. Werke, die auf dem Mönchsberg entstanden, lieferten später einen nicht unwesentlichen Beitrag für die Verleihung des Literaturnobelpreises.
Nun sehe ich den berg, sein fuß berührt eben noch den meinen
Wir wenden uns nach links und folgen dem schmalen Pfad hinauf zur Richterhöhe. Von der mittelalterlichen Wehrmauer aus wandern unsere Blicke gen Süden. Unter Bäumen versteckt entdecken wir Schloss Leopoldskron, von Max Reinhardt so geliebtes Domizil. An der schnurgeraden Moosstraße lebte H.C. Artmann. Und im Hintergrund erhebt sich steil aufragend der Untersberg, der seit Urzeiten schon Weise Frauen, Zwerge und ganze zwei Kaiser in sich birgt.
Und plötzlich erkennen wir, was es mit dem Mythos Salzburg, der Symbiose von Kultur und Natur, auf sich hat, einem Phänomen, das seit dem 19. Jahrhundert der Literatur in und über diese Stadt seinen Zauber verleiht.
- Reine Gehzeit: ca. 1 Stunde
- Länge: 3 km
- Route auf Google Maps